Tipp des Monats Juli: Faszien…das große unbekannte Wesen

 

 

Faszien…das gro­ße unbe­kann­te Wesen

Unter­ti­tel: Was ist das? Kann man das essen?

Ein ganz kla­res: Nein!

Kennst du das Gefühl mor­gens nach dem Auf­ste­hen, dass dein Kör­per wie ver­ka­tert wirkt? Über­all knirscht und knackt es im Gebälk (wie in einem Fach­werk­haus mit uralten Holz­bal­ken). Dabei hast du am Vor­tag gar nicht über die Strän­ge geschla­gen und lebst eigent­lich ganz gesund. Gera­de mit zuneh­men­dem Alter ist die­ses Gefühl immer öfter da bzw. zeigt sich ver­stärkt (dies ist zumin­dest mei­ne Erfah­rung). 

Was ist das bloß? Sind es die Kno­chen oder ist es Mus­kel­ka­ter? 

Hast du mal dran gedacht, dass es sich um dei­ne Fas­zi­en han­deln könn­te? Wenn du dich jetzt fragst, ob das eine Krank­heit ist oder mit wel­chen Tablet­ten man die­ses Gefühl ver­mei­den kann, dann geben dir die nach­fol­gen­den Zei­len viel­leicht einen klei­nen Denkanstoß.

Seit eini­ger Zeit sind sie in aller Munde…Faszien. Man spricht auch von Bin­de­ge­we­be. Jeder hat es und jeder braucht es. Fas­zi­en haben die Men­schen schon immer gehabt.

Die Fit­ness­in­dus­trie hat bereits vor etli­chen Jah­ren die­sen Trend erkannt und ist auf den „rol­len­den“ Zug auf­ge­sprun­gen. Es wur­den Werkzeuge/ Tools ent­wi­ckelt und auf dem Fit­ness­markt ange­bo­ten. Die­se sol­len dabei hel­fen, Fas­zi­en zu bear­bei­ten, zu trig­gern, zu ver­schie­ben und kne­ten oder ein­fach nur zu behan­deln. So kamen Fas­zi­en­rol­len, Fas­zi­en­bäl­le, Fas­zi­en­sticks, Gum­mi­bän­der aus allen mög­li­chen Mate­ria­li­en in die Läden und ich den­ke, dass jeder Zwei­te von euch eins die­ser Spiel­zeu­ge zu Hau­se hat. 

Natür­lich haben die Fit­ness­stu­di­os die­ses The­ma auf­ge­grif­fen. So wur­den Grup­pen­kur­se ins Leben geru­fen und mit dem Zusatz „Fas­zi­en-…“ ver­se­hen.  Schon lock­te es die Teil­neh­mer wie­der in den Kurs­be­reich. Der Fit­ness­markt lebt von Inno­va­ti­on und manch­mal ist das auch gut so.

Doch was ist nun eine Fas­zie und was macht sie bzw. was mach ich damit? Denn schließ­lich will ich mit mei­nen Bemü­hun­gen zu Hau­se oder beim Grup­pen­kurs im Gym etwas errei­chen. Bes­ten­falls sol­len Schmer­zen ver­schwin­den und ver­schwun­den bleiben…und wenn es rich­tig gut läuft, füh­le ich mich danach wie ein geschmei­di­ger Leopard.

Zur Ehren­ret­tung des Fit­ness­mark­tes muss man sagen, dass die Bedeu­tung des Bin­de­ge­we­bes und des fas­zia­len Sys­tems Wis­sen­schaft­lern erst seit eini­gen Jah­ren so rich­tig klar gewor­den ist. 

So stell­ten sie fest, dass das Bin­de­ge­we­be über­all im mensch­li­chen Kör­per vor­han­den ist. Es han­delt sich dabei um mehr als nur ein Hüll­ma­te­ri­al. Es wird sogar als das größ­te Sin­nes­or­gan oder als „Geflecht des Lebens“ bezeich­net und erlangt damit eine sehr gro­ße Bedeu­tung für Gesund­heit und Wohl­be­fin­den. Gern wird der bild­li­che Ver­gleich mit einer Grape­fruit her­ge­stellt. Jeder der eine sol­che Frucht mal auf­ge­schnit­ten hat, kennt die wei­ße Haut, die in unter­schied­lichs­ter Form in der gesam­ten Frucht vor­han­den ist. Die­se Haut trennt ein­zel­ne Frucht­fleisch­seg­men­te von­ein­an­der ab und hält sie in Form.

Die­ses Gewe­be befin­det sich also nicht nur in unse­rer Haut, son­dern auch in Mus­keln, Knor­peln, Seh­nen und Bän­dern. Es ist über­all in die­sem kom­ple­xen Sys­tem Mensch vor­han­den und umhüllt Orga­ne (Darm, Leber, Herz, etc.) bzw. durch­dringt sie. Selbst das Gehirn kommt ohne Fas­zi­en nicht aus. Der gesam­te Kör­per ist fein­ma­schig von oben bis unten durch­zo­gen. Sie for­men nicht nur die Mus­kel­pa­ke­te und geben die­sen eine Struk­tur, son­dern sie über­tra­gen und spei­chern auch Kraft. Zudem sind sie am Stoff­wech­sel­sys­tem betei­ligt und haben einen gro­ßen Anteil am Flüs­sig­keits­trans­port im mensch­li­chen Kör­per.  

Und nicht nur das. Über 80 % der frei­en Ner­ven­endun­gen im Men­schen befin­den sich in den Fas­zi­en, die die Mus­keln des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes gegen die Unter­haut abgren­zen. Die­ses Netz­werk ist mit mehr Bewe­gungs­sen­so­ren und Schmerz­re­zep­to­ren aus­ge­stat­tet als die Mus­keln. Damit dient es der Wahr­neh­mung von Bewe­gung und dem Kör­per­sinn. Nur so weißt du, wie du gera­de stehst, ob du auf­ge­rich­tet oder gebeugt bist. 

Damit ist den For­schern deut­lich gewor­den, dass das fas­zia­le Sys­tem in der Lage ist, Schmer­zen aus­zu­lö­sen. Ins­be­son­de­re die Len­den­fas­zie ist oft­mals Ent­ste­hungs­punkt für Rücken­schmer­zen. Sie ist ein kom­ple­xes Gebil­de und gera­de hier befin­den sich vie­le hoch­emp­find­li­che Schmerzrezeptoren.

Tensegrity

Der Mensch ist aus­ge­stat­tet mit einem gan­zen Sys­tem von in sich zusam­men­hän­gen­den Fas­zi­en­ket­ten, die mit­ein­an­der ver­wo­ben und ver­bun­den sind. Zieht man an einer Stel­le im Kör­per, so löst dies eine Bewe­gung an einer ande­ren weit ent­fern­ten Ecke aus. Das archi­tek­to­ni­sche Ten­se­gri­ty-Modell (sie­he Bild) zeigt die­sen Ansatz sehr gut auf. Die unter Zug­span­nung und Zusam­men­halt aus­ge­rich­te­ten Fas­zi­en sor­gen dafür, dass der Mensch sta­bil aber den­noch beweg­lich ist.

Und genau die­ses Sys­tem muss gehegt und gepflegt wer­den. Der bekann­te Human­bio­lo­ge und Fas­zi­en­for­scher, Robert Schleip, hat den kur­zen aber prä­gnan­ten Satz geprägt: „Wer sich nicht bewegt, verklebt.“

Und da haben wir es…dieses Gefühl von dem ich am Anfang gespro­chen habe.

Doch was kannst du dage­gen tun?

Sei aktiv…stell dir mor­gens 10 Minu­ten frü­her den Wecker und gönn dir die­se Zeit aus­schließ­lich für die Innen­pfle­ge dei­nes Kör­pers. Waschen kannst du dich spä­ter. Stell dir vor, du musst den Innen­raum dei­nes Autos aus­sau­gen, weil die Kin­der gera­de mal wie­der gekrü­melt haben. Dein Auto soll ja nicht nur von außen gepflegt und sau­ber aussehen. 

Also: Dehn dich und streck dich, am bes­ten bei geöff­ne­tem Fens­ter und atme tief durch.

Eine klei­ne Übung möch­te ich dir ans Herz legen:

Stell dich hüft­breit hin, rich­te dich gera­de aus, schie­be dei­nen Kopf nach oben und beu­ge leicht die Knie. Nun beginnst du (leicht wie eine Feder) auf und ab zu wip­pen. Die Bewe­gung kommt aus dei­nen Füßen, die dich erden und dir Halt geben. Dei­ne Knie wir­ken wie Stoß­dämp­fer. Die Arme und Schul­tern lass locker hän­gen. Den Kopf balan­cierst du mit jeder federn­den Bewe­gung aus. Mit jeder Abwärts­be­we­gung lässt du Anspan­nung und das Gefühl von Träg­heit nach unten fal­len (übri­gens auch eine tol­le Übung für abends, um die täg­li­che Anspan­nung raus­zu­las­sen). 

Mach dies 60 Sekun­den lang. Dann füh­re dei­ne Arme über die Sei­te nach oben und atme tief dabei ein. Stre­cke dich. Schie­be dei­ne Kopf­kro­ne gen Him­mel und zie­he nun den rech­ten Arm dia­go­nal über dem Kopf nach links. Damit dehnst du dei­ne rech­te seit­li­che Fas­zi­en­ket­te. Dei­ne Rip­pen, die nachts dein Kör­per­ge­wicht tra­gen muss­ten, bekom­men Platz und die klei­nen Mus­keln zwi­schen den Rip­pen wer­den gedehnt. Atme mit jeder Bewe­gung tief in den Rip­pen­be­reich hin­ein und nimm die­se Bewe­gun­gen und die Reak­tio­nen dei­nes Kör­pers ganz bewusst wahr. Wechs­le nun die Sei­te. Die­se Übung kannst du auch im Sit­zen machen so wie der Frosch.

Das ist für eine täg­li­che Mor­gen­rou­ti­ne schon ein Anfang und du wirst die erfri­schen­de und vita­li­sie­ren­de Wir­kung schnell spüren.

Neben federn­den und deh­nen­den Übun­gen ist wei­ter­hin die Behand­lung dei­ner Fas­zi­en mit einer Fas­zi­en­rol­le oder einem Fas­zi­en­ball der Klas­si­ker schlecht­hin und abends vor dem Fern­se­her wäh­rend der Nach­rich­ten eine tol­le Kom­bi­na­ti­on (und schon kannst du von dir behaup­ten, dass du mul­ti­tas­king­fä­hig bist).

Du siehst, du kannst eine Men­ge tun, um dei­ne Fas­zi­en zu unter­stüt­zen, um so schmerz­frei­er und gesün­der durch den All­tag zu kom­men. Und natür­lich ist Yoga ein ganz tol­les Faszientraining…aber das ist ein ande­res Thema.

Ach ja: Zum Schluss möch­te ich noch bemer­ken, dei­ne Fas­zi­en kön­nen nur leicht und locker arbei­ten, wenn sie genü­gend Flüs­sig­keit ange­bo­ten bekom­men. Also trin­ke tags­über so zwi­schen 1,5 und 2 Liter Was­ser oder unge­süß­te Tees. Noch bevor du Durst bekommst, soll­test du etwas getrun­ken haben. Gera­de jetzt in der Som­mer­zeit ist dies wich­ti­ger denn je. 

In die­sem Sinne…lass es federn, stre­cken und rollen…..

Dein Micha­el

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